Teil 1: Unsere persönliche Schlaf-Story: So hat sich das Schlafverhalten unserer Tochter im 1. Lebensjahr immer wieder verändert.

Teil 2: „Durchschlafen“ aus wissenschaftlicher und evolutionsbiologischer Sicht – warum „Durschlafen“ Babys sogar schaden würde.

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Persönliche Schlaf-Story unserer Tochter

Mythos – alle Neugeborenen schreien nachts stundenlang

Hand aufs Herz – wenn man sich als schwangeres Paar langsam mit der Geburt und ersten Zeit mit Neugeborenem beschäftigt, hakt man die „ruhigen Nächte“ vorsichtshalber schonmal ab.

Immer heißt es da aus dem Umfeld: „Die Nächte mit Babys sind der Horror! Stundenlanges nächtliches Geschrei, Augenringe bis zum Boden und kein Licht am Ende des Tunnels.“

Unsere erste Zeit mit neugeborenem Baby war irgendwie … viel weniger dramatisch als prophezeit. Ehrlich!

Durchgeschlafen mit 2 Monaten

Sehr schnell fanden wir einen gemeinsamen Tag-Nacht-Rhythmus, das nächtliche Stillen reduzierte sich beinahe täglich und nach zwei Monaten schlief unsere Motte wie ein Stein von 22 Uhr Abends bis um 7:30 Uhr Morgens durch. Pardon, toter Käfer trifft es irgendwie besser, denn wenn Lilly erstmal in ihrem Babybettchen neben unserem Ehebett lag, bewegte sie sich keinen Millimeter mehr.

Kraftraubendes Ins-Bett-Bring-Ritual – jeden Abend

Ich will hier nicht das Blaue vom Himmel erzählen! Bis ich unsere frisch zur Welt gekommene Tochter soweit hatte, entspannt schlafen gelegt zu werden, vergingen Stuuuunden. Zwei bis drei Stunden in der Regel, in denen sie durchgehend entweder wie ein nasser Sack an meinem Busen hing und sich auch tatsächlich bis zum Bersten volltrank, oder ich sie kilometerweit hin und her trug. Manchmal tanzte, wippte und sang ich auch wie eine Verrückte mit zersausten Haaren und leicht irrem Blick. Nicht zu vergessen, die von oben bis unten vollgespuckten Klamotten.

Das ins Bettbringen war die ersten sechs/sieben Monate ein echter Kraftakt – aber um zehn Uhr abends war Ruhe und wir konnten uns nach jedem Tag die ganze Nacht erholen. Wie unser abendliches Schlafritual genau ablief, könnt ihr in meinen drei Instagram-Posts nachlesen (Zubettgehritual Anfang, Hauptteil, Schluss)

Obwohl mir 9 Stunden Schlaf angesichts der sehr anstrengenden und aufregenden Tage immer noch sehr wenig vorkamen.

Plötzlich Schluss mit Durchschlafen ab dem 6./7. Monat

Ab dem Krabbelalter war dann aber plötzlich Schluss mit nächtlicher Erholung. Die zweite Hälfte des ersten Lebensjahres unserer Tochter entwickelte sich komplett gegensätzlich zu den ersten sechs Monaten.

Ursachen unbekannt

Ich kann leider nicht genau sagen, was die nächtliche Unruhe meines Kindes bis heute mit fast zwölf Monaten auslöst. Sind es die Zähne? Eine schwierige Phase? Ach, bestimmt ein Schub! Hat sie Hunger, wird sie von der Muttermilch tagsüber nicht mehr satt? Quälen sie Verlustängste? Vielleicht war der Tag zu aufregend. In letzter Zeit sind es immer öfter auch Erkältungen, trockener Husten und eine verstopfte Nase, die unser Baby in der Nacht wach halten. Aber eins sei gesagt: Irgendwas ist immer!

Nächtliche Tänze – unsere Schlaf-Ballerina

Dazu kommt, dass unsere Tochter seitdem sie krabbeln und sich hochziehen kann, sich nachts wie eine Schlafwandlerin hin und her wälzt, sich schlafend aufsetzt, wild mit Armen und Beinen herumfuchtelt und sich wie eine Marionette ganz plötzlich wieder fallen lässt. Ihr Schlafverhalten wandelte sich schlagartig von außergewöhnlich ruhig zu extrem unruhig, sodass ich sogar das Gefühl habe, unsere Tochter wechselt alle paar Minuten ihre Schlafposition.

Da sie sich nachts so viel bewegt und enorme Strecken zurücklegt, mussten wir sie in unserem Ehebett einquartieren #hallofamilienbett.

Denn bei ihren nächtlichen Tänzen ging es für unsere Schlafballerina im Gitterbett nach 1,20 x 0,85 m nicht mehr weiter. Schlaftrunken versuchte sie rabiat mit ihrem Kopf und Körper die Mauern ihres Kinderbettes aus dem Weg zu drücken. Funktionierte natürlich nicht, also fing sie wütend an zu weinen. Immer schön mit dem Kopf durch die Wand.

Vom eigenen Babybettchen ins Familienbett

Na gut, wir sind ja flexibel. Also baute ich in einer Nacht- und Nebelaktion das Gestell unseres Boxspringbettes ab und eröffnete meinem Mann, dass wir alle jetzt gemeinsam auf einem Matratzenlager nächtigen würden. Mit der Nachtruhe war es sowieso vorbei. Wenn ich die Wahl zwischen Ärgern und Akzeptieren habe, entscheide ich mich selbstverständlich irgendwann für das Eingehen auf die Bedürfnisse meines Kindes. Ärgern hilft schließlich auch nicht viel.

Gleiches Umfeld – verändertes Schlafverhalten

Mein Mann und ich sind immer noch dieselben Eltern (plus Omiii) mit dem gleichen Bestreben alles für das Wohl und den erholsamen Schlaf unseres mittlerweile fast Kleinkindes zu tun. Auch unser Kind ist noch mehr oder weniger dasselbe. Zumindest würde ich mal behaupten, dass keine Nachtfee sie nachts durch ein anderes Baby ersetzt hat. Wir wohnen auch immer noch im selben Haus – Lilly’s Umfeld hat sich also in keinster Weise verändert. Und dennoch: durchschlafen ist nicht mehr!

Zwei Extreme innerhalb des 1. Lebensjahres

Nun, da ich beide Extreme innerhalb des ersten Jahres mit Kind durchgemacht hatte, fing ich an mich zu fragen, woran es liegen kann, wenn Babys nachts nicht mit einem zufriedenen Lächeln in ihrem Bettchen liegen und entspannt durchschlafen. Machen wir Eltern etwas falsch oder gibt es plausible Erklärungen für Schlafprobleme von Babys und Kleinkindern? Tipps für den entspannten und gesunden Babyschlaf gibt es im Internet genug.

Das sagt die Wissenschaft zum Durchschlafen von Babys

Müssen Babys für eine gesunde Entwicklung durchschlafen?

Ich las und las und fragte Dr. Google. Irgendwann machte es Klick und ich dachte: Wer sagt eigentlich, dass Babys durchschlafen müssen, um sich gesund zu entwickeln? Beschäftigt man sich wissenschaftlich und evolutionsbiologisch mit dem Thema „Durchschlafen von Babys“, kommt man nämlich zum gegenteiligen Schluss.

Babys schlafen anders als Erwachsene

Während Erwachsene den Nachtschlaf primär zur Erholung und Regeneration von Körper und Geist nutzen, hat der Babyschlaf in erster Linie eine ganz andere Funktion: die Weiterentwicklung des rasant wachsenden kindlichen Körpers und Babygehirns. Der Ausspruch „Schlafen wie ein Baby“ nährt den sich hartnäckig haltenden Mythos, dass ein langer, ruhiger Schlaf das Beste für Babys sei.

Schlafstudien belegen allerdings, dass sich das Schlafverhalten von Eltern und ihren Kindern aufgrund des unterschiedlichen Entwicklungsstandes wesentlich und zu Recht unterscheidet.

Babys brauchen bevorzugt leichten Schlaf, Erwachsene primär Tiefschlaf

Neugeborene, Babys und Kleinkinder haben nachts bis zu doppelt so viele aktive Traumphasen (REM-Phase) als Mama und Papa (Quelle: http://www.nestling.org/der-traum-vom-durchschlafen/). Man geht davon aus, dass der unruhige REM-Schlaf die Gehirn- und Persönlichkeitsentwicklung fördert und der Verarbeitung von über den Tag gespeicherten Informationen dient.

Ein leichter Babyschlaf ist also nicht zwangsläufig ein Indiz dafür, dass mit unseren Babys „etwas“ nicht stimmt, sondern ist sehr wahrscheinlich ein Ausdruck davon, dass sich „etwas“ tut.

Warum „Durchschlafen“ Babys sogar schaden würde

Lange Tiefschlafphasen, wie bei Erwachsenen, wären für unsere Kinder von Nachteil, wenn nicht sogar schädlich, weil sich Körper und Gehirn nachts, anstatt sich zu entwickeln, vor allem entspannen würden. Vom Erholen und Regenerieren allein wachsen innerhalb weniger Jahre aber keine, im Vergleich zu anderen Lebewesen, überdurchschnittlich intelligenten Individuen heran.

Zusammenfassung:

  • Babyschlaf dient primär dem Zellen- und Gehirnwachstum sowie der Persönlichkeitsentwicklung und Verarbeitung von Informationen = viele leichte und unruhige Traumphasen
  • Schlaf von Erwachsenen dient primär der Erholung und Regeneration von Zellen und Gehirn = lange, ruhige Tiefschlafphase

Evolution sorgt für unruhige Nächte

Auch der Evolution verdanken wir Eltern es, dass unsere Babys nachts unsere Nähe suchen, mehrmals aufwachen oder sogar die Brust oder ihr Fläschchen verlangen. Viele Phasen mit Baby sind so unruhig und nervenaufreibend, dass ich mich schon frage, was die gute, alte Evolution mit schlaflosen Nächten bezwecken wollte.

Schutz des Nachwuchses geht vor – auch nachts

Ganz einfach: aus evolutionärer Sicht hat der Schutz des hilflosen Nachwuchses Priorität Nummer eins – auch nachts. Immer! Nach all dem Aufwand, den wir betreiben, um unsere Nachkommen zu zeugen, auszutragen, zu gebären und aufzuziehen, wäre der Verlust eines Kindes unverzeihlich. All die Mühe umsonst, die Energie, die Zeit, die Opfer! Kinder,  die im unmittelbaren Familienumfeld schlafen, hätten beim nächtlichen Angriff eines Fressfeindes wohl die besten Chancen gehabt zu überleben. Babys mit eigenem Zimmer hingegen wären sofort das Opfer von Raubtieren geworden. Daher rückversichern sich unsere Kleinen instinktiv auch nachts, ob Mama und Papa noch da sind. Und, by the way, wer hat schon Lust allein zu schlafen?

Babys benötigen auch nachts Nahrung

Was mich mit am meisten „nervt“, um es salopp auszudrücken, ist das nächtliche Stillen oder Fläschchen geben. Warum benötigen Babys nachts Nahrung? Kann mir das mal einer erklären? Klar! Denn auf eins können wir Eltern uns verlassen: dass alles seinen Sinn hat. Babys, die auch nachts gestillt werden, nehmen insgesamt mehr Nahrung auf und haben somit theoretisch bessere Chancen das Erwachsenen-Alter zu erreichen.

Nächtliches Stillen als Schutz vor jüngerer Konkurrenz in Form von Geschwistern

Stillen hat aber auch noch weitere Vorteile und dient der Empfängnisverhütung, solange das Stillkind noch die volle Zuwendung der Mutter braucht. Um einen erneuten Eisprung der Mutter zu verhindern, dürfen die Stilleinheiten auch nachts nicht länger als circa vier Stunden auseinander liegen #teamnosleep. (Quelle: https://www.welt.de/gesundheit/article126976922/Warum-Babys-nachts-staendig-aufwachen.html) So „schützen“ sich Babys vor natürlicher Konkurrenz in Form von jüngeren Geschwistern.

Wachstumsschmerzen und Verlustängste

Wir Eltern dürfen außerdem nicht vergessen, dass unsere Babys während ihrer starken körperlichen und geistigen Entwicklung phasenweise heftigen Wachstumsschmerzen und Ängsten ausgesetzt sind – vorzugsweise nachts, wie wir alle nur zu gut wissen.

Knochenschmerzen vom schnellen Wachsen. Die Zähne bewegen sich im Kiefer oder drücken sich durchs Zahnfleisch. Der Darm rebelliert, weil er sich an die neuen Gegebenheiten erst gewöhnen muss oder weil er sich ausdehnt. Ständige Erkältungen, Infekte und Viruserkrankungen oder andere schmerzverursachende Krankheiten, weil das Immunsystem noch nicht voll entwickelt ist. Phasen, Schübe und täglich neue Welten, die sich unseren Kindern ganz plötzlich über Nacht eröffnen. Wer könnte unter diesen Voraussetzungen schon ruhig schlafen? Je komplexer das Babygehirn mit den Monaten wird, desto mehr entwickelt sich auch ein Bewusstsein. „Hoppla, bin ich etwa eine eigenständige Person? Und wenn ja, wie kann ich dann mit meiner Mama Eins sein?“ Die Abnabelung von Mama schürt natürlich extreme Ängste, nicht nur im Babyalter, und sorgt für die ein oder andere hysterische, nächtliche Schreiattacke.

„Horrornächte“ sind auch für Babys nicht einfach

Babys bereiten uns Eltern also nicht böswillig schlaflose „Horrornächte“, wie @__leni89 es in einem vorherigen Beitrag „Mein Baby hat noch nie durchgeschlafen“ auf meinem Blog ausdrückte, sondern kämpfen lediglich mit der eigenen rasanten Entwicklung.

Über diesen höchst spannenden und alles verändernden Input schlafe ich jetzt am besten erstmal eine Nacht … ihr auch?

Und ihr so?

Wie hat sich das Schlafverhalten eurer Minis im 1. Lebensjahr verändert und wie seid ihr damit umgegangen?

Eure Jananibe